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Wenn Sie die im letzten Teil
beschriebenen Wirkungen der beiden Allele des Orange-Gens
mit denen der bisher besprochenen Farbgene vergleichen,
werden Sie mit Recht behaupten, daß Sie bis jetzt nichts
Besonderes am Orange-Gen finden konnten. Epistasie gegenüber
anderen Genen (hier B-Gen und Agouti-Gen) ist bekannt,
Hypostasie gegenüber bestimmten Allelen eines anderen Gens
(hier den Allelen ca und c des C-Gens und dem dominanten
Weiß) haben wir auch schon erörtert. Daß man über die
Dominanz-Rezessivitätsbeziehung der beiden Allele des
Orange-Gens keine Aussage machen kann, das erscheint
zumindest fragwürdig. Bei einem Kater ist das noch
verständlich, denn der hat ja nur ein X-Chromosom. Das
zweite Heterosom oder Geschlechtschromosom ist das
Y-Chromosom, das nur männliche Geschlechtsrealisatoren
trägt. Also können die beiden Allele nie direkt miteinander
konkurrieren. Entweder ist auf dem einen X-Chromosom das Ox-Allel,
dann ist der Kater "rot", oder das ox-Allel,
dann sind alle Farben des B-Gens möglich, so als ob es gar
kein Orange-Gen geben würde. Einigen wir uns für die weitere
Besprechung darauf, daß wir für nicht-orange (ox)
"schwarz" sagen und damit meinen: alle Farben des B-Gens mit
allen Varianten und Zeichnungen sind möglich. Ebenso soll
"rot" für alle Varianten des orange-Allels (Ox)
stehen. Das gilt aber nur für dieses Kapitel! Danach ist
dann "schwarz" wieder die genetische Farbe mit dem Genotyp
(B/-).
Kommen wir nun zu den Katzen. Die haben ja zwei
X-Chromosomen, also müßten bei heterozygoten Tieren die
beiden Allele Ox
und ox
direkt miteinander konkurrieren und die Dominanz bzw.
Rezessivität erkennbar sein. Das ist aber leider nicht der
Fall. Die Heterosomen verhalten sich in ihrer Funktion
anders als die Autosomen. Die ganze Sache wird noch dadurch
kompliziert, daß für Erbgänge, die an Geschlechtschromosomen
gebunden sind, ganz bestimmte Abweichungen von den
Mendel'schen Regeln typisch sind.
Um diese Abweichungen definieren zu können, betrachten wir
zunächst einen einfachen Erbgang mit einem Gen, das auf
einem Autosom liegt, also nicht an das Geschlecht gebunden
ist. Damit diese Unabhängigkeit deutlich herauskommt,
beziehen wir die Heterosomen mit in die Kreuzungsanalyse
ein. Also verpaaren wir eine heterozygote Agouti-Katze
(A/a, X/X) mit einem Non-Agouti-Kater (a/a, X/y), der
ja zwangsläufig homozygot sein muß. Die
Allelenkombinationstabelle können wir uns sparen, die
Gametentypen dürften klar sein. Die Katze liefert zwei
Gametensorten, entweder das A-gouti-Allel kombiniert mit dem
X-Chromosom (A, X) oder das Non-Agouti-Allel kombiniert mit
dem X-Chromosom (a, X). Auch beim Kater sind zwei
Kombinationen möglich, Non-Agouti zusammen mit dem
X-Chromosom (a, X) oder mit dem y-Chromosom (a, y).
Das Ergebnis ist einfach zu
interpretieren. Die Nachkommen sind entweder Agouti oder
Non-Agouti und beide Phänotypen sind gleichmäßig auf Katzen
und Kater verteilt. Machen wir die Probe und vertauschen die
Geschlechter. Man nennt eine solche Kreuzung auch
reziproke Kreuzung und das Reziprozitätsgesetz ist
Bestandteil der 1. Mendel'schen Regel. Kreuzen wir eine
Non-Agouti-Katze (a/a, X/X) mit einem heterozygoten
Agouti-Kater (A/a, X/y) und schauen nach, was wir daraus
ableiten können. Die Gametentypen sind wieder einfach zu
ermitteln: Die Katze liefert nur eine Sorte von Eizellen (a
,X). Der Kater kann die vier Spermientypen (A, X), (A, y),
(a, X) und (a, y) produzieren, weil jedes der beiden Allele
Agouti (A) und Non-Agouti (a) mit jedem der beiden
Geschlechtschromosomen kombinierbar ist.
Das Ergebnis ist einfach zu
interpretieren. Die Nachkommen sind entweder Agouti oder
Non-Agouti und beide Phänotypen sind gleichmäßig auf Katzen
und Kater verteilt. Machen wir die Probe und ver-tauschen
die Geschlechter. Man nennt eine solche Kreuzung auch
reziproke Kreuzung und das Reziprozitätsgesetz ist
Bestandteil der 1. Mendel'schen Regel. Kreuzen wir eine
Non-Agouti-Katze (a/a, X/X) mit einem heterozygoten
Agouti-Kater (A/a, X/y) und schauen nach, was wir daraus
ableiten können. Die Gametentypen sind wieder einfach zu
ermitteln: Die Katze liefert nur eine Sorte von Eizellen (a
,X). Der Kater kann die vier Spermientypen (A, X), (A, y),
(a, X) und (a, y) produzieren, weil jedes der beiden Allele
Agouti (A) und Non-Agouti (a) mit jedeSie sehen, das
Ergebnis ist identisch mit dem der 1. Kreuzung und das ist
auch schon das Reziprozitätsgesetz: Bei nicht
geschlechtsgebundenen und nicht gekoppelten Merkmalen führen
reziproke Kreuzungen zu gleichen Resultaten. Machen wir
gleich die Probe aufs Exempel mit einem
geschlechtsgebundenen Erbgang. Eine "schwarze" Katze
(Definition s.o.) soll mit einem "roten" Kater
verpaart werden. Die Gametentypen sind noch einfacher zu
bestimmen. Die "schwarze" Katze muß auf beiden X-Chromosomen
das nicht-orange-Allel (ox)
tragen, also sind alle Eizellen gleich und geben die
Information "schwarz" weiter. Bei dem Kater gibt es zwei
Spermientypen. Die einen tragen zusammen mit dem X-Chromosom
das Allel orange (Ox),
die anderen mit dem y-Chromosom bestimmen zwar nach der
Befruchtung das männliche Geschlecht, das ist aber auch
alles. Die Informationen orange oder nicht-orange sind gar
nicht vorhanden.
Das Ergebnis ist doch
deutlich anders. Es gibt nur zwei unterschiedliche
Genotypen, die Farbe des Katers ("rot") taucht gar nicht
mehr auf und die Farbe der Mutter ("schwarz") wiederholt
sich nur in den Katern. Neu ist das Orange-Gen in
heterozygoter Allelenausstattung (Ox,
ox),
die als Schildpatt bezeichnet wird. Wie diese
besondere Zeichnung zustande kommt ohne daß irgendwelche
Dominanz-Rezessivitätsbeziehungen vorliegen, das besprechen
wir gleich im Anschluß. Machen wir zuerst die reziproke
Kreuzung. Die "rote" Katze produziert wieder nur eine
Sorte von Eizellen, nämlich solche mit dem orange-Allel (Ox)
auf den X-Chromosomen. Die Katze muß ja homozygot orange
sein, sonst wäre sie ja schildpatt. Der "schwarze" Kater
hingegen liefert zwei Spermientypen, die mit dem
nicht-orange tragenden X-Chromosom (ox)
und die mit dem y-Chromosom.
Ergebnis:
"Es gibt nur zwei unterschiedliche Genotypen, die Farbe des
Katers ("schwarz") taucht gar nicht mehr auf und die Farbe
der Mutter ("rot") wiederholt sich nur in den Katern. Neu
ist das Orange-Gen in heterozygoter Allelenausstattung (Ox,
ox),
die als Schildpatt bezeichnet wird". Die Worte sind
zwar dieselben, aber die möglichen Phänotypen der reziproken
Kreuzung unterscheiden sich doch erheblich von denen der 1.
Kreuzung. Dort sind alle Kater "schwarz", hier sind alle
Kater "rot". Eben die typische Abweichung vom
Reziprozitätsgesetz für einen geschlechtsgebundenen Erbgang.
Gehen wir weiter zur nächsten Abteilung und verpaaren eine
Schildpatt-Katze mit..., ja mit was? Schildpatt-Kater geht
nicht, weil es den nicht, oder nur extrem selten, als
potenten Kater gibt. Und wenn ein fruchtbarer
Schildpatt-Kater einmal auftaucht, dann beruht seine Potenz
auf einer erhebli-chen Chromosomenstörung. Da sind dann mit
Hilfe der Mendel-Regeln kaum Voraussagen möglich. Vielmehr
kann man durch eine Analyse der Nachkommen lediglich in
bestimmten Fällen Rückschlüsse auf die Art der
Chromosomenstörung des Kater schließen. Aber dazu später
mehr. Bleiben wir bei den realistischen Fällen und kreuzen
wir eine Schildpatt-Katze mit einem "schwarzen"
(also nicht-orange) Kater. Die Katze liefert zwei
Eizellentypen, die mit dem orange-Allel (Ox)
auf dem einen X-Chromosom und die mit dem nicht-orange-Allel
(ox)
auf dem anderen X-Chromosom. Vom Kater stammen ebenfalls
zwei Spermiensorten, die mit dem nicht-orange Allel (ox)
auf dem X-Chromosom und die mit dem y-Chromosom.
Da eine reziproke Kreuzung nicht möglich ist (s.o.) nehmen
wir gleich die zweite Möglichkeit Schildpatt-Katze
und "roter" Kater und diskutieren das Ergebnis
hinterher. Die Eizellentypen kennen wir schon, beim Kater
transportieren die einen Spermien das x-Chromosom mit dem
orange-Allel (Ox),
die anderen das y-Chromosom.
Nehmen wir uns
zuerst die unterste Reihe vor. Sowohl in der ersten als auch
in der zweiten Kreuzung ist die eine Hälfte der Kater
"schwarz", die andere "rot". Bei den Mädchen in der oberen
Spalte sieht eine Hälfte immer so aus wie der Vater, also
"schwarz" aus der ersten Kreuzung und "rot" aus der zweiten.
Nur die zweite Hälfte der Mädchen oder insgesamt 1/4 der
gesamten Nachkommen sind schildpatt. Aber glauben Sie ja
nicht, damit einen Weg zur Reinzucht von Schildpatt gefunden
zu haben. Durch die immer wieder notwendige Einkreuzung von
nicht-schildpatt Katern werden bei jeder Verpaarung laufend
eine ganze Reihe von Faktoren, die die Ausprägung des
Schildpatt-Musters mitbestimmen, neu kombiniert. Damit
haben Sie als Züchter zwar die Möglichkeit vorauszusagen,
aus welcher Verpaarung mit welcher Wahrscheinlichkeit (25%
bis höchstens 50%) Schildpatt-Katzen fallen werden, aber die
Farbverteilung wird sich immer Ihrer Kontrolle entziehen.
Dies gilt auch dann, wenn Sie immer wieder die gleiche Katze
mit dem gleichen Kater verpaaren, dazu gleich mehr.
Nehmen wir nochmal die vier Kreuzungstabellen zur Hand und
leiten daraus ein paar praktische Merksätze für den Züchter
ab.
1) Eine "schwarze" Katze kann nie ein "rotes"
Jungtier werfen!
2) Eine "rote" Katze kann nie ein "schwarzes"
Jungtier werfen!
Grund: Jedes Jungtier egal ob Katze oder
Kater, erbt von der Mutter ein X-Chromosom.
3) Ein "rotes" Mädchen hat immer einen "roten"
Vater!
4) Ein "schwarzes" Mädchen hat immer einen
"schwarzen" Vater!
Grund: Das zweite X-Chromosom einer Katze
stammt immer vom Vater.
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Schildpatt (Genotyp: Ox, ox)
auch: tortoise-shell oder tortie
Was ist nun eigentlich dieses schon so oft erwähnte
Schildpatt? Wie auf dem Panzer der griechischen oder der
maurischen Landschildkröte (engl. tortoise), die ja wohl
jeder kennt, wechseln sich dunkle und helle Flecken in
zufälliger Mischung ab. Bei der orginären Schildpatt-Katze
sind die dunklen Flä-chen schwarz (a/a, B/-, D/-, ox/?)
und die hellen Bereiche orange (a/a, B/-, D/-, Ox/?).
Und wenn man genau hinschaut, dann erkennt man in den
orangefarbenen Flecken die Tabby-Zeichnung, die aus der
epistatischen Wirkung des Ox-Allels
zu erwarten war. Die orangefarbenen Flecken scheinen
zweifarbig zu sein, dunkelorange in der Zeichnung und heller
in den Flächen der Agouti-Grundfarbe. Dies erklärt die
häufig anzutreffende Meinung, daß Schildpatt-Katzen
dreifarbig sind, nämlich rot-creme-schwarz. Diese Aufzählung
ist natürlich unkorrekt, denn creme ist die Verdünnung von
rot. Ein Tier kann entweder Verdünnung (d/d) tragen oder
nicht (D/-), aber nicht beides. Das eine oder andere Merkmal
gilt dann für das ganze Tier und nicht nur für bestimmte
Teile oder Fellpartien. Daher spricht man heute, wenn man
schon auf die "Dreifarbigkeit" hinaus will, von der
Farbkombination rot-hellrot-schwarz. Aber auch das ist nicht
ganz richtig, denn genetisch ist und bleibt die
Schildpatt-Katze zweifarbig: orange und schwarz.
Jetzt haben Sie mich erwischt, denken Sie! Es gibt doch nur
die beiden Schalterstellungen "orange" und "nicht-orange",
nichts zwischendrin und keine Dominanz oder Rezessivität.
Wenn aber die Schildpatt-Katze zweifarbig ist, dann muß es
Bereiche geben, in denen das orange-Allel epistatisch die
B-Farbgene überdeckt und andere Bereiche, in denen die
B-Farbgene voll zur Ausprägung kommen. Also gibt es doch die
Situation, daß ein Merkmal nicht für das ganze Tier gilt,
sondern nur für bestimmte Bereiche oder wie hier für
bestimmte Fellpartien, während es in benachbarten
Fellbezirken unwirksam ist, so als wäre es gar nicht
vorhanden. Sie haben recht, es gibt diese Ausnahme, aber nur
für Gene, die auf dem X-Chromosom liegen.
Gehen wir zurück zur befruchteten Eizelle und suchen eine
Erklärung. Die Zygote durchläuft eine Mitose und der neue
Organismus besteht aus zwei Zellen. Jede der beiden Zellen
teilt sich wieder, dann sind es schon vier Zellen. Jede der
vier Zellen teilt sich wieder, dann sind es acht, und so
weiter.
In einem ganz bestimmten Stadium formt sich der Zellhaufen
zu einer Hohlkugel um, dann gehen die mitotischen Teilungen
weiter. Dabei werden ganz bestimmte Einfaltungen
vorgenommen, bestimmte Bereiche differenzieren sich während
der weiteren Teilungen zu ganz bestimmten Organen wie
Nervensystem, Skelett, innere Organe, Haut, Muskeln etc..
Der Differenzierungszustand wird nun bei jeder weiteren
Teilung an die Tochterzellen weitergegeben, so daß z.B. aus
Hautzellen immer wieder nur Hautzellen entstehen.
Irgendwann, nach vielen Mitosen, ist dann die kleine Katze
fertig und kommt auf die Welt. Weitere Zellteilung lassen
das Tier heranwachsen und wieder gilt der Grundsatz, daß der
einmal festgelegte Differenzierungszustand bei jeder Teilung
unverändert an die Tochterzellen weitergegeben wird. Ist die
Katze erwachsen, werden die Teilungszyklen langsamer und
seltener, denn es müssen jetzt nur noch verbrauchte, defekte
oder abgestorbene Zellen ersetzt werden. Nach einer
bestimmten Zeitspanne, der Lebenszeit, die bei der Katze
15-20 Jahre dauert, beginnen die Mitosen ungenau zu werden.
Das Erbmaterial wird nicht mehr korrekt auf die
Tochterzellen verteilt, der Differenzierungszustand wird
unvollständig weitergegeben oder geht ganz verloren. Die
Organe funktionieren dann nicht mehr richtig und wenn
wichtige Organe ganz ausfallen, dann stirbt die Katze. Das
ist sehr schlicht ausgedrückt der Lebenszyklus aus der Sicht
der Genetik und der Zellbiologie.
Für unsere Fragestellung ist die Differenzierung selbst und
die Weitergabe des Differenzierungszu-standes an die
Tochterzellen bei jeder Mitose von Interesse. Alle
beschriebene Vorgänge funktionieren beim Kater genauso gut
wie bei der Katze, dabei ist der doch genetisch
benachteiligt. Die Katze hat neben den 36 Autosomen noch 2
X-Chromosomen, der Kater nur 1 X-Chromosom und ein mickriges
y-Chromosömchen, also viel weniger Erbmaterial. Daß der
Kater trotzdem nicht schlechter lebt, das hat etwas mit der
Gendosiswirkung zu tun. Offensichtlich ist die Menge
an Erbmaterial (DNA), die in den 36 Autosomen und einem
X-Chromosom steckt, genau die richtige "Dosis" für ein
effektives Zusammenspiel zwischen der Erbsubstanz und der
daraus abgeleiteten Funktion der Zelle. Nicht der Kater hat
zuwenig, sondern die Katze hat zuviel. Daraus hat Mary F.
Lyon 1961 die nach ihr benannte Lyon-Hypothese
abgeleitet.
Fortsetzung im nächsten Teil...
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Dipl. Biologe R.
Fahlisch
"Dreamhunter Cattery"
Das Copyright für den oben genannten Text, liegt sowohl beim
Autor des Textes Herrn R. Fahlisch, sowie bei dem Betreiber
dieser Seiten, Frau Ute Kunze. Eine Vervielfältigung oder
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