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Kommen wir heute zu den beiden
letzten Kapiteln der Farbgenetik. Scheckung oder
Weißscheckung (S) und dominantes Weiß (W) hängen zumindest
von der Entstehung der Merkmalsausprägung eng zusammen. Ob
dem ein genetischer Zusammenhang zugrunde liegt, wird immer
noch diskutiert. Die Vererbungsregeln sind für beide Gene
einfach, leider ist das Scheckungsgen in seiner Auswirkung
nicht sehr zuverlässig. Da können wir uns glücklich
schätzen, daß S und W so weit hinten im Alphabet stehen. Wir
können also bei der Besprechung auf einige Erfahrungen über
Genwirkungen und deren Unzuverlässigkeit zurückgreifen.
Das Scheckungsgen (Allele: S, s)
Der englische Name "piebald (white) spotting" und die daraus
abgeleitete Bezeichnung Weißscheckung deutet auf eine immer
noch nicht allgemein bekannte Tatsache hin: Das Weiß, so
groß sein Anteil auch sein mag, ist nicht die Grundfarbe.
Bei gescheckten Katzen können alle bisher besprochenen
Farben mit und ohne Zeichnung als Grundfarben vorkommen. Und
bei jeder gescheckten Katze wird sich irgendwo, auch wenn er
noch so klein ist, ein "Fleck" in der Grundfarbe finden
lassen, sonst wäre sie eine dominant Weiße (dazu kommen wir
später) oder eine Albino-Weiße (die kennen Sie ja schon).
Die Anführungszeichen stehen deshalb, weil sich der Fleck
oder die Flecken bei den Schecken eigentlich auf die weißen
Flächen beziehen. Auch wenn der weiße Fleck so groß ist, daß
er sich auf die ganze Katze ausdehnt, es ist und bleibt ein
Fleck, der durch das Allel S des Scheckungsgens
hervorgerufen wird. Die mögliche Verknüpfung von Weiß mit
allen anderen Farben beweist, daß das Scheckungsgen
unabhängig vererbt wird.
Es ist vielleicht sogar günstiger, sich die Namen
"gescheckte Katze" oder "Schecken" ganz abzugewöhnen.
Bezeichnen wir sie doch ganz einfach mit ihrer Grundfarbe
und fügen "mit Weiß" hinzu. Da das mutierte Allel (S)
offensichtlich dominant über das Wild-Allel (s) ist, ist die
Sache einfach und wir brauchen keine neuen
Genotypen-Tabellen. Bei allen Farben ohne Weiß wird
(s/s) angehängt, bei allen mit Weiß entweder (S/-),
(S/s) oder (S/S).
Aus den "einfachen" Farben (non-Agouti) ohne und mit
Verdünnung entstehen z.B. die klassischen Bicolor-Varietäten:
Bicolor schwarz-weiß
Bicolor blau-weiß
Bicolor chocolate-weiß
Bicolor lilac-weiß (lavender-weiß)
Bicolor rot-weiß
Bicolor creme-weiß
Aus den Agouti-Farben ohne und mit Tipping (Silber)
entstehen die "mit Weiß"-Varietäten. Da solche Katzen
durch die Agouti- Grundfarbe mit der darüber liegenden
Zeichnung in der genetischen Farbe schon zweifarbig
aussehen, werden sie noch manchmal als Tricolor beschrieben,
wenn Weiß dazu kommt. Das ist schlicht und einfach falsch,
denn Agouti-Grundfarbe und genetische Farbe sind eigentlich
nur eine Farbe. Mit Weiß sind sie dann höchstens Bicolor,
aber dieser Begriff bleibt den non-Agoutis mit Weiß
vorbehalten. Also nimmt man die bekannten Farb-Bezeichnungen
und fügt einfach "mit Weiß" hinzu, wie z.B.:
(black)-mackerel-tabby mit Weiß
(black)-classic-tabby mit Weiß
blue-...-tabby mit Weiß
bluesilver-...-tabby mit Weiß
blue-shaded mit Weiß
u.s.w.
Aus den Schildpatt entstehen "mit Weiß" die dreifarbigen
Glückskatzen. Sie sind die einzigen, die auch aus
genetischer Sicht die Bezeichnung Tricolor verdienen,
denn hier kommen wirklich drei Farben zusammen: die
genetische Farbe, Orange und Weiß. Einige Beispiele sind:
Schildpatt mit Weiß (= Calico)
blau-Schildpatt mit Weiß (= dilute Calico)
chocolate Schildpatt mit Weiß
lilac Schildpatt mit Weiß
u.s.w.
Bei den Bicolor- und Tricolor-Katzen soll mindestens ein
Drittel und höchstens die Hälfte der Körper-fläche weiß sein
(Grad 3 bis Grad 5).
Ist der Weißanteil kleiner und
bis auf ein Medaillon und einigen weißen Flecken auf dem
Bauch und vielleicht einem weißen Handschuh an einer
Vorderpfote reduziert (Grad 2), spricht man von einer
Minimalscheckung. Dafür gibt es möglicherweise ein zweites
Gen für "sehr schwaches spotting", das zwar unabhängig
vererbt wird, aber mit dem Scheckungsgen interagiert. Dieses
noch sehr suspekte Gen scheint semidominant mit variabler
Ausprägung zu sein. Eine noch weitere Reduzierung des
Weißanteils auf einen kleinen Fleck zwischen den
Hinterbeinen und evtl. einen sehr kleinen Kehlfleck
(zwischen Grad 1 und Grad 0) hat mit dem Scheckungsgen
sicher nichts zu tun.
Die Katzen
sind genetisch ohne Weiß (s/s), diese weißen Fleckchen sind
sicher polygenetisch veranlagt. Solche "Ausrutscher" treten
bedauerlicherweise noch am häufigsten bei Rassen ohne
anerkannte Weißscheckung auf. Daher wird der Erbgang noch
lange Zeit im Dunkeln bleiben, weil natürlich kein Züchter
daran interessiert ist, solche Vorfälle publik zu machen und
Stammbaumforschung zu ermöglichen.
Kommen wir zum anderen Extrem. Wenn sich die weißen Flecken
so weit ausbreiten, daß nur noch ein sechstel des Körpers
farbig ist (Grad 6), bevorzugt am Kopf, Schwanz(spitze),
evtl. an den Beinen und höchstens zwei bis vier kleinere
Flächen an den Flanken (der Bauch muß rein weiß sein), dann
spricht man von der Harlekin-Zeichnung.
Die Katzen
sehen liebenswert und dabei schelmenhaft lustig aus, genau
so wie der Arlecchino der Commedia dell'Arte, der für die
Namensgebung Pate gestanden hat (Grad 7). Bleiben von der
Grundfarbe nur noch zwei durch eine Blesse getrennte Flächen
im Gesicht und der Schwanz von der Kruppe bis zur Spitze
übrig (Grad 8), dann spricht man von der Van-Zeichnung.
Der Name ist von der Türkisch-Van abgeleitet, die dieselbe
Weißverteilung mit der Grundfarbe Rot hat. „Grad 9“ ist eine
weitere Reduktionsvariante, die für Zucht und Ausstellung
weder erwünscht noch erlaubt ist. „Grad 10“ hat mit dem
Scheckungs-Gen genauso wenig zu tun wie „Grad 0“. Während
man bei letzterer sicher sein kann, daß der Genotyp (s/s)
ist, kann bei ersterer alles möglich sein, denn Albino-Weiß
und dominantes Weiß überdecken alle möglichen
Scheckungs-Allelenkombinationen (s/s, S/s, S/S).
Bleibt noch
die Heilige Birma als Rasse mit Weiß zu erwähnen. Die
charakteristischen weißen Handschuhe an allen vier Pfoten
und die weißen "Sporen" an den Hinterbeinen könnten etwas
mit dem Scheckungsgen zu tun haben. Allerdings weisen
Kreuzungsversuche mit einfarbigen Rassen oder Colourpoints
darauf hin, daß dieses Weiß rezessiv vererbt wird. Man hat
daraufhin ein separates Gen g (für glove=Handschuh)
angenommen. Aber es ist auch möglich, daß g nur ein weiteres
Allel von Scheckungsgen ist.
Ist es nun wirklich so einfach, daß die Allele (s/s) eine
Katze ohne Weiß (Grad 0) und die Allele (S/s, S/S) eine
Katze mit Weiß (Grad 1-9) bedeuten? Hier gilt ein klares ja!
Wie ist es aber nun mit der Weißverteilung? Ist diese an den
heterozygoten (z.B. Grad 1-4) bzw. homozygoten (z.B. Grad
5-9) Zustand gekoppelt? Hier gilt leider ein ganz
eindeutiges jain!
Einerseits haben wir einen dominant-rezessiven Erbgang,
andererseits gibt es die enorme Variationsbreite von Grad 1
bis Grad 9. Die Dominanz bzw. Rezessivität ergibt sich
daraus, daß Eltern ohne Weiß nie weißgescheckte Nachkommen
haben, wenn wir einmal von der sog. "Minimalscheckung"
absehen. Wenn aber mindestens ein Elter mit Weiß ist, dann
fallen in der Regel auch weißgescheckte Nachkommen. Weil
eben aus Verpaarungen mit nur einem weißgescheckten Elter
auch weißgescheckte Jungtiere fallen, ist die Dominanz
bewiesen, denn die können nur heterozygot (S/s) sein. Die
weißen Flecken sind auch epistatisch über alle Farben, sie
können sowohl in den Bereichen aus der B-Serie als auch in
denen von Orange liegen. Besonders pikant wird das, wenn
schwarz-weiße Bicolor-Eltern plötzlich rot-weiße Nachkommen
haben. Dann nämlich war ein Elterntier ein verkappter
Schildpatt mit Weiß, bei dem die weißen Flecken den gesamten
Orange-Anteil überdeckt haben. Dann kann man sich als
Genetiker beim Züchter nur damit entschuldigen, daß
Katzen-Genetik auch ohne solche "Tricks" eigentlich schon
schwierig genug ist.
Die beiden Allele des Scheckungsgens verhalten sich
zueinander zumindest teilweise codominant. Die
Variationsbreite hängt sicher vom übrigen genetischen
Hintergrund ab, folgt aber doch gewissen Regeln. So zeigen
Nachkommen von gescheckten Eltern häufiger Weißanteile vom
Grad 5-8, weil sich darunter natürlich auch häufiger
homozygote Tiere (S/S) befinden. Wenn nur ein Elter
gescheckt ist, sind alle weißgescheckten Nachkommen
zwangsläufig heterozygot (S/s) und fallen gleichzeitig auch
häufiger unter die Grade 2-6. Aber: Bei Tieren mit
Van-Zeichnung oder Harlekin (Grad 7/8) liegt in der Regel
Homozygotie vor. Aber derartige Weißverteilungen fallen auch
immer wieder aus Verpaarungen zwischen Bicolor und
nichtgescheckten Tieren, sind also eindeutig heterozygot.
Nur eines ist beim Scheckungsgen sicher, seine enorme
Variabilität! Nur durch selektive Zucht mit engen
Auswahlkriterien kann der Scheckungsgrad in bestimmten
Grenzen stabilisiert werden und man muß immer wieder und
auch noch nach vielen Generationen der Stabilität mit
"Ausrutschern" rechnen. Ich muß hier wiederholen, was ich
bei den Schildpatt-Katzen schon einmal gesagt habe: "Hut ab
vor der Geduld von Züchtern schöner weißgescheckter Katzen".
Aber zurück zu dem, was einigermaßen sicher ist. Auch wenn
das Scheckungsgen einen noch so unberechenbaren Charakter
hat, so folgt die Ausprägung doch gewissen Regeln. Zunächst
einmal eine Tatsache, die vielleicht schon viel früher hätte
erwähnt werden sollen. Weiß ist keine Farbe, sondern das
Fehlen jeglicher Pigmentierung. Warum in manchen
Hautbezirken die pigmentbildenden Zellen fehlen und damit
die Haare dort ungefärbt bleiben, das erkläre ich später für
die, die es ganz genau wissen wollen. Wir merken uns jetzt
nur, es handelt sich um einen genetisch bedingten "Defekt"
der dazu führt, daß in den betroffenen Bereichen die Haare
pigmentlos, also weiß bleiben. Die Entstehung der weißen
Flecken oder Flächen hat nichts mit der Bildung der
Orange-Flächen bei Schildpatt zu tun, beeinflußt aber die
Größe der orangen Fellpartien entscheidend. Die Ausbreitung
der weißen Flächen von Grad 1 bis 9 folgt gewissen Regeln,
die mit der Embryonalentwicklung zu tun haben, es handelt
sich aber nicht um einen
Chromosomeninaktivierungsmechanismus, wie wir ihn schon
kennengelernt haben.
Die ersten Anzeichen von Scheckung treten an Bauch, Brust
(Medaillon) und den Vorderpfoten auf (Grad 1). Dann kommen
Nacken, Kinn, Flanken, Kopf und Hinterpfoten dazu (Grad
2-4). Schließlich fließen die weißen Flecken zusammen und
die Grundfarbe wird in Spots mit abnehmender Größe
aufgebrochen (Grad 4-7). Zuletzt bleibt die Grundfarbe nur
noch am Kopf oder im Bereich der Ohren und immer am Schwanz
oder zumindest der Schwanzspitze sichtbar (Grad 8-9).
Nun zur Embryonalentwicklung, der Grundlage für die
Ausprägung der Weißscheckung und die fortschreitende
Erweiterung der Weißanteile. Erinnern Sie sich an die
Entstehung eines neuen Organismus von der Eizelle bis zur
Hohlkugel (Teil 13)? Dann die Einfaltungen zur Organbildung.
Eine der ersten Einfaltungen führt zu einem Schlauchförmigen
Gebilde, dem Neuralrohr. Aus ihm entwickelt sich
hauptsächlich das Nervensystem. Aber bestimmte Zellen aus
dem Neuralrohr begeben sich auf Wanderschaft und sind an der
Bildung ganz anderer Organe beteiligt. So auch die
Melanoblasten als Vorläufer der pigmentproduzierenden Zellen
der Haut. Es handelt sich dabei um wenige Zellen (ca. 34),
die als primäre Melanoblasten die Neuralleiste verlassen und
zur Körperoberfläche wandern. Aus ihnen entsteht durch
Mitosen der Teil der Haut, in dem Pigmente gebildet werden
können. Ist die Anzahl der primären Melanoblasten durch das
Scheckungs-Allel (S) genetisch vermindert, werden weit von
der Neuralleiste entfernte Körperregionen nicht mehr von den
Melanoblasten erreicht. Es kann sich in diesen Hautbezirken
kein pigmentbildendes Hautgewebe bilden, die dort wachsenden
Haare bleiben farblos, also weiß. Je geringer die Anzahl der
primären Melanoblasten ist, desto größer werden die weißen
Flächen.
Und was ist mit der Schwanzspitze, die ja fast immer
pigmentiert ist, obwohl sie doch sicherlich zu den am
weitesten entfernten Körperregionen gehört? Aber die
Wirbelsäule setzt sich bis zur Schwanzspitze fort und gehört
eng zu den Organen des Neuralrohres. Somit liegt für die
Melanoblasten der Schwanz näher als der Bauch oder die
Pfoten. Auch der Bereich um die Augen und Ohren liegt für
die Melanoblasten näher als z.B. der Rücken oder die
Flanken, denn Teile des Auges (Netzhaut) und teile des Ohres
(Schnecke, Gleichgewichtsorgan) gehören direkt zum zentralen
Nervensystem.
Nun noch zur Abgrenzung vom Schildpatt einerseits und zum
Einfluß auf Schildpatt andererseits. Bei der Bildung des
Schildpatt-Musters haben wir es mit zwei Typen von primären
Melanoblasten zu tun. Die einen (ox)
bilden Melanin und damit alle Farben außer Orange. Die
anderen (Ox)
bilden Phäomelanin und damit Orange. Die Gesamtzahl der
primären Melanoblasten ist nicht reduziert, die gesamte
Hautfläche kann mit pigmentbildendem Gewebe versorgt werden.
Jeder primäre Melanoblast bildet in dem von ihm besiedelten
Hautbezirk durch Mitosen einen Zellklon von gleichem
Differenzierungszustand (orange oder nicht-orange). Die
Ausbreitung eines Klons wird durch Konkurrenz zum
benachbarten Klon begrenzt. Unter dem Einfluß des
Scheckungs-Alles (S) ist die Gesamtzahl der primären
Melanoblasten vermindert. Nach der Wanderung liegen die
Melanoblasten weit auseinander. Das Wachstum der beiden
Klone Orange und Nicht-Orange wird nicht mehr durch
Konkurrenz begrenzt. Jeder Klon kann sich so lange
ausbreiten, wie seine Fähigkeit zur Mitose erhalten bleibt.
Erst dann hört die Ausbreitung eines Klons auf. Was durch
die limitierte Zellteilungsrate der Klone von
pigment-bildendem Hautgewebe unbesiedelt bleibt, bleibt
weiß. Bei Schildpatt mit Weiß sind daher die einheitlichen
Farbflächen Orange und Nicht-Orange größer und je größer der
Weißanteil, desto größer die Farbflächen.
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Dipl. Biologe R.
Fahlisch
"Dreamhunter Cattery"
Das Copyright für den oben genannten Text, liegt sowohl beim
Autor des Textes Herrn R. Fahlisch, sowie bei dem Betreiber
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