Angeborene Mißbildungen und erbliche Stoffwechsel Störungen bei Rassekatzen

Viele Züchter und insbesondere Anfänger in Sachen Katzenzucht stehen eventuell vorkommenden angeborenen Defekten bei ihren gezüchteten Katzenwelpen hilflos und manchmal regelrecht voll Panik gegenüber. War man bei einem fremden Kater  zum Decken, entbrennt zwischen den beiden Züchterhaushalten dann so mancher Streit, wer denn nun für die Defekte verantwortlich ist. Denn eines wird ganz schnell klar: die eigene Katze ist immer die „saubere", die unerwünschten Eigenschaften kommen immer aus  der „fremden" Linie! Äußerst schnell ist dann so mancher alte „Züchterhase" auch bereit, die Angelegenheit zu vertuschen, schließlich könnte so manches hochdotierte Zuchttier in Verruf kommen. Wer als unbedarfter Neuling dennoch etwas ausplaudert, ist schnell der „Nestbeschmutzer" und in höchstem Grade unbeliebt. Denn etwas lernt auch ein Neuzüchter ganz rasch:

„Mißbildungen und derglei­chen kommen nur bei der „Konkurrenz" vor ..., 

und genau weil dies so gehandhabt wird, ist den angeborenen, erblichen Defekten so schwer beizukommen.

Belastete Paarungen dürfen nicht ständig wiederholt werden

Dieser Artikel soll nicht nur der Information dienen, er soll auch ein Plädoyer dafür sein,

innerhalb der Züchterschaft offen und aufrichtig miteinander umzugehen. Ein deformierter Welpe ist kein Makel und keine Schande, schädlich jedoch ist wissentlich dazu beizutragen, daß insbesondere letale, das heißt tödliche Erbdefekte in der Katzenpopulation weiter verbreitet werden und man auch bei gehäuftem Vorkommen schwerster Mißbildungen in  manchen  Katzenfamilien Zuchtkatzen weiterhin in großem Stil zur Weiterzucht verwendet. Im vorliegenden Artikel werde ich versuchen, bei den entsprechenden Mißbildungen nicht nur die am ehesten betroffenen Rassen, sondern auch den Vererbungsweg darzustellen.

Mißbildungen der Gliedmaßen fallen sofort auf

Während Mißbildungen, die die inneren Organe betreffen, für den Züchter nicht so auffällig sind und erst später erkannt werden, springen Defekte am Bewegungsopparat meist schon kurz nach der Geburt bei genauerer Untersuchung der Welpen ins Auge. Andere kristallisieren sich erst später heraus, wenn die Kätzchen heranwachsen. Da wäre zuerst einmal die Achondroplasie (Zwergwuchs), sie kommt nur selten vor, aber die betroffenen Kätzchen haben nur eine kurze Lebenserwartung von ein bis vier Monaten, dieser Defekt wird autosomal rezessiv vererbt. Dem Züchter fallen dabei extrem kurze Beinchen und Muskelveränderungen auf. Wesentlich leichter zu erkennen ist die Amelie, die Kätzchen werden dabei ohne Gliedmaßen geboren.   Die Herkunft des Defekts ist noch unbekannt. Eine Kiefermißbildung ist die Apiasie des Unterkieferostes, der Unterkiefer ist hierbei nicht richtig ausgeprägt. Bei der Ektodaktylie sind alle oder nur Teile bestimmter Zehen an den Vorderbeinen nicht richtig ausgebildet. Auch dieser Defekt ist erblich, wobei das Schadgen in heterozygoter Form vorliegt. Bei der Känguruh-Katze haben wir es mit verkürzten Langknochen der Vorderbeine speziell bei weiblichen Katzen zu tun. Die Abnormität ist erblich und wahrscheinlich geschlechtsgebunden.

Deformation der Hüftgelenke bei Siamesen, Britisch Kurzhaar und Rex-Katzen

Eine mittlerweile auch bei Rassekatzen ins Interesse gerückte ernstzunehmende Deformation ist die Hüftgelenksdysplasie, die bei verschiedenen Rassen gehäuft vorkommt. Der Defekt ist erblich, und Siamkatzen und Briten sind längst nicht mehr die in erster Linie betroffenen Rassen. Der Knickschwanz wird rezessiv vererbt,  meist tritt er am Schwanzende auf, es können aber auch die anderen Schwanzbezirke betroffen sein. Bei den orientalischen Rassen betrifft er häufig auch direkt den Schwanzansatz, wo sich eine Art Knubbel fühlen läßt. Apropos Knubbel - als knorpelige Exostosen werden vom  Knochenmantel ausgehende, verknöcherte stumpfe Hervorragungen bezeichnet, die man eventuell fühlen kann, sonst aber röntgenologisch abklären muß. Die genaue Herkunft ist unbekannt. Bei Rexkatzen tritt gehäuft die sogenannte Patella-Luxation auf, die Tiere haben Probleme beim Aufstehen und Laufen. Der Gang wirkt gestelzt. Verstärkt tritt diese Deformation jetzt auch bei Britisch Kurzhaar-Katzen auf. Der Vererbungsweg ist noch unbekannt. Sehr selten liegt einmal ein Pectus Excavatum vor, also ein stark eingedrücktes Sternum, die Herkunft ist unbekannt, aber im Zusammenhang mit englischen Siamlinien hört man häufiger davon. Die Brust der betroffenen Tierchen wirkt wie ein Schildkrötenpanzer, und sie bleiben oft im Wachstum zurück. Falls es zu schlimm ist, kann der Tierarzt versuchen, das Ganze mit Gips oder einem starken  Heftpflasterverband zu korrigieren. Beim Peromelus Ascelus haben wir es mit dem gänzlichen Fehlen der Hintergliedmaßen zu tun. Die genaue Herkunft dieser Mißbildung ist nicht geklärt. Zum Glück kommt sie nur selten vor.

Schwanzlosigkeit ist eine Deformation mit vielen Begleiterscheinungen

Häufig hingegen taucht die Polydaktylie auf, das ist eine Anzahl  überzähliger Zehen hauptsächlich an den Vorderpfoten. Der Erbgang hierbei ist dominant mit unterschiedlicher Ausprägung. Wiederum selten ist die Radiushemimelie, deren Herkunft nicht bekannt ist. Die Gliedmaße, die betroffen ist, wirkt stummelförmig wie ein Dackelbein. Wenn sie sehr stört, kann sie amputiert werden. Die Schwanzlosigkeit bei Manxkatzen und anderen Rassen hat häufig noch weitere, für das Tier sehr unerfreuliche Begleiterscheinungen, so zum Beispiel Spina Bifida, ein deformiertes Becken und deformierte Hinterbeine.

Selten und herkunftsmäßig nicht geklärt ist die Syndaktylie, die Verschmelzung von Zehen. Tellergesichter kommen wiederum in erster Linie bei Perserkatzen vor. Der Kopf ist dabei abartig verkürzt. Ebenfalls selten kann es zu Thoraxabnormitäten kommen, wo der Brustkorb verändert ist.

Gaumenspalten sind öfter auftretende Erbkrankheiten bestimmter Stämme

Eine sehr auffällige Mißbildung ist die angeborene Zahnlosigkeit. Sie kommt nur selten vor, und es ist nicht bekannt, wie sie entsteht. Ebenfalls selten liegt eine Achalasie vor. Dabei hat man es beim betroffenen Tier mit einer dauernden Verkrampfung der Speiseröhre zu tun. Solche Tiere würgen sofort nach Futteraufnahme und müssen geröntgt werden. Man kann den Defekt behandeln. Wichtig ist aber, daß diese Mißbildung möglicherweise erblich ist. Ebenfalls sehr wahrscheinlich erblich ist die Gaumenspalte. Sie betrifft vorzugsweise die Siamesen und Orientalen, ist im Grunde eine eher seltene Abnormität, tritt aber familiär gehäuft auf. Dem Züchter fällt dabei auf, daß der betroffene neugeborene Welpe sehr unruhig ist, nicht saugen kann, da er eine Öffnung im Gaumen hat und gar kein zum Saugen notwendiges Vakuum erzeugen kann. Das Tier verliert rasend schnell an Gewicht, und auch der unerfahrenste Züchter merkt spätestens beim dann versuchten Zufüttern mit der Flasche, daß dem Welpen die Milch wieder aus der Nase herausrinnt, somit also etwas ganz Gravierendes nicht in Ordnung ist. Das Humanste ist, diese Tierchen umgehend einschläfern zu lassen, denn sonst müßten sie elend verhungern. Vernünftigerweise sollte man jede Kätzin aus der Zucht nehmen, die von zwei verschiedenen Katern Kätzchen mit Gaumenspalten geboren hat. Bei der Hasenscharte ist es ganz ähnlich, sie tritt oft zusammen mit der Gaumenspalte auf.

Viele Erbfehler betreffen die Nieren

Auch der Harnapparat kann von verschiedenen Abnormitäten betroffen sein. Häufig ist die Niere Sitz von Defekten, was aber oft erst am toten Welpen im Rahmen einer Autopsie bekannt wird. Wir unterscheiden Beckenniere, Hufeisenniere, Nierenverschmelzung, Persistierender Urachus (wobei der Urin in die Bauchhöhle läuft, bzw. nach außen an die Körperoberfläche tritt), der sich bei den Kätzchen durch einen aufgetriebenen Bauch und eventuellen Harnfluß aus dem Nabel bemerkbar macht. Fehlen einer Niere, verkleinerte Niere, Verlagerung der Harnröhre (auffallend durch Harninkontinenz und   Schwierigkeiten beim Wasserlassen) und schließlich die Zystenniere, die recht häufig vorkommt. Solche Kätzchen fallen meist durch hartnäckiges Kümmern auf, sie gedeihen nicht und sind anfällig für Infektionen. Diese Störungen und Veränderungen am Harnapparat sind nicht erblicher Natur, sondern willkürliche Fehlbildungen, die eben vorkommen können. Außer dem Harnapparat können natürlich auch die Geschlechtsorgane von Mißbildungen betroffen sein. Dies kommt jedoch im allgemeinen selten vor. Die wichtigsten Fehlbildungen sind: Fehlen oder Überzahl eines oder mehrerer Gesäugekomplexe, fehlende Verbindung zwischen Uteruskörper und -hörnern, Hermaphroditismus (Zwitter), Hydrometra, Kryptorchismus (Nichtabstieg eines oder beider Hoden), Unterentwicklung eines oder beider Hoden, Monorchie  (fehlender  Hoden), Fehlen des Nabelstrongs (Baucheingeweide des Neugeborenen sind dabei teilweise in der Fruchtblase befindlich und werden von der Katzenmutter beim Abnabeln mitgefressen, was für den Welpen natürlich tödlich ist), Fehlgebildete oder Unterentwickelte Eierstöcke namentlich Ovariumagenesie, Ovariumhypoplasie, überzählige Ovarien. Daneben kann es noch zu weiteren Fehlbildungen des Uterus kommen oder zur Fehlentwicklung der Vagina. Die überlebenden Kätzchen sind unfruchtbar. Anders jedoch die Kater, die nur einen Hoden haben, bzw. nur einen Hoden abgestiegen zeigen (Ektopie). Sie sind theoretisch fortpflanzungsfähig, sollten aber von der Zucht ausgeschlossen werden,  insbesondere für die Tiere mit Kryptorchismus muß vermutet werden, daß diese Mißbildung als einfaches rezessives Gen weitergegeben wird, also erblich ist. Die Kastration ist dringend zu empfehlen!

Herzfehler treten relativ häufig auf

Sehr gravierende Symptome findet der Züchter, wenn Kätzchen von Defekten an Herz- und Kreislaufapparat betroffen sind. Wenn eine Mißbildung an der linken Atrioventrikularklappe vorliegt, was leider relativ häufig vorkommt, kann es sein, daß die Neugeborenen innerhalb von 24 Stunden plötzlich „nach Luft schnappen" und sterben. Die Herz-Kreislaufdefekte sind vielfältig und genau nur durch einen versierten Tierarzt zu differenzieren. Leider haben sie eines gemein, daß die betroffenen Tie­re keine oder nur begrenzte Lebenserwartung haben. Die nur selten vorkommenden Defekte, wie ein persistierender rechter Aortenbogen sollen hier nicht weiter interessieren. Aufmerksamkeit erfordert der bevorzugt bei Siam- und Perserkatzen auftretende Fall der Multiplen Herzdefekte. Die Symptome treten etwa im Alter von einer Woche auf: Abmagerung, gesteigerte Atmung, Blaufärbung der Schleimhäute. Im Alter von zwei Wochen liegen durch Tierarztbefunde hörbare Veränderungen der Herzfunktion vor. Die genaue Entstehungsursoche ist nicht bekannt. Neben diesen gibt es leider noch weitere, die häufiger auftreten, so zum Beispiel die Aortenstenose, ein offener Ductus Arteriosus (gekennzeichnet durch vergrößertes Herz und Lungenödem) der möglicherweise ebenfalls erblich ist. Daneben gibt es zwei Herzfehler, die sogar ziemlich häufig vorkommen, und zwar die Endokardiale Fibroblastosis von der in erster Linie Siamesen und Burmakatzen betroffen sind, desweiteren der sogenannte Ventrikelseptumdefekt, der die Jungkatzen meist schon vor dem Absetzen sterben läßt. Würde er rechtzeitig erkannt werden, wäre theoretisch eine Heilung mittels Operation möglich, aber meist wird der Züchter vor vollendete Tatsachen gestellt. Die genaue Herkunft des Auftretens des Ventrikelseptumdefekts ist leider unbekannt. Zusammengefaßt kann man vielleicht sagen, daß Katzenwelpen mit Herzfehlem als Hauptsymptom eine gestörte Atmung zeigen, bläulich anlaufen oder aber plötzlich versterben. Was aber noch lange nicht heißt, daß alle „plötzlich" eingegangenen Tiere an Herzdefekten litten. Die mehrstündige Abwesenheit eines ganztägig berufstätigen Katzenzüchters führt generell dazu, daß ihm eventuell einsetzende   Symptome einer Krankheit erst spät, in vielen Fällen leider zu spät, auffallen. Umso wichtiger ist, daß jedes verstorbene Tierchen sorgfältig obduziert wird. Katzenseuche zum Beispiel, eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, kann einen Katzenwelpen innerhalb von nur 12 Stunden töten, ohne daß er auch nur die leisesten Anzeichen von Durchfall gezeigt hat, wie man wohl erwarten würde.

Auch Sibirische Katzen haben schon ihre Erbdefekte

Außer dem Kreislaufsystem kann auch das Zentralnervensystem Sitz einiger Defekte und Mißbildungen sein. Wir unterscheiden dort zum Beispiel Agenesie des Corpus Callosum, die hauptsächlich die Sibirischen Katzen betrifft und möglicherweise genetisch bedingt ist, aber glücklicherweise nur selten vorkommt und die Exenzephalie (Gehirn „quillt" aus dem Schädel hervor), die besonders bei Manxkatzen festzustellen ist. Ansonsten kennt man noch die Gangliosidosis, die zwar ebenfalls nur selten vorkommt, aber autosomal rezessiv vererbt wird. Die befallenen Kätzchen zeigen im Alter von zwei Monaten Lebensschwäche, Zittern, haben Probleme, normal zu laufen und nehmen  schlecht  zu.   Die Krankheit verschlimmert sich zusehends, bis die Tiere im Alter von einem Jahr ungefähr Sehstörungen aurweisen und Krampfanrälle bekommen. Ziemlich häufig kommt der Wasserkopf vor (innerer Hydrozephalus) und die Kleinhirnhypoplasie, bei der, wie der Name schon sagt, das Kleinhirn unterentwickelt ist mit allen negativen Begleiterscheinungen. Die Kleinhirnhypoplasie wird zum einen vererbt, eine andere Form hingegen wird durch vorgeburtliche Infektion der Welpen mit Katzenseuche hervorgerufen. Die Kätzchen machen also im Mutterleib eine Infektion mit dem Virus der Feilinen Panleukopenie durch, wodurch sie schwer geschädigt werden. So liegt auch nahe, warum man Katzen während der Trächtigkeit nicht mit einem  Katzenseuche-Lebendimpfstoff vakzinieren soll. Nur ein Totimpfstoff ist gefahrlos, die Empfehlungen des Herstellers sind genauestens zu beachten.

Schädelmißbildungen bei amerikanischen Burma-Katzen

Desweiteren gibt es verschiedene Schädelmißbildungen, von denen die wichtigste die autosomal rezessiv vererbliche Meningoencephalocele der (amerikanischen) Burmakatzen ist.

Hierbei ist das Großhirn durch einen Defekt im Schädeldach nach außen gestülpt. Vorschub für die Verbreitung des Defekts leistete die unselige Tendenz einiger Züchter, binnen kürzester Zeit die Burmaköpfe immer kürzer zu züchten, bis schon regelrecht die Augen hervorquollen.

Außerdem gibt es noch angeborene Nervenleiden, zum Beispie Neuraxonale Dystrophie, die autosomal rezessiv vererbt wird, aber selten vor­kommt. Ziemlich häufig hingegen begegnet man der Spino Bifido (Bogenspalte), bei der die Wirbelbogen des Rück­grats nicht geschlossen sind. Sie kommt hauptsächlich bei Manxkatzen vor. Die Anlage dazu ist erblich und bei Manxkatzen mit dem Gen für Schwanzlosigkeit verbunden, wobei das Gen als dominant mit unvollständiger Penetranz vorliegt. Als letztes in diesem Zusammenhang bleibt noch der ebenfalls einfach autosomal erbliche Faktor für Tremor (Zittern) zu nennen. Die Tiere leiden unter Schüttellähmung und wachsen nur langsam. Sie können nur schwer Futter aufnehmen.

Natürlich kann auch das Haarkleid und die Haut der Katzen von Erbdefekten betroffen sein. Insbesondere die Kutane Asthenie (überelastische, dünne Haut) und Pili Torti (totaler Haarausfall, Tod der Welpen nach spätestens drei Wochen) sind an dieser Stelle aufzuführen, wobei hier die Kutane Asthenie autosomal dominant vererbt wird, bei Pili Torti ist die Herkunft des Defektes nicht geklärt. Selten tritt auch eine unvollständige Entwicklung der Oberhaut auf, deren Entstehung ebenfalls unbekannt ist.

Augenveränderungen bei Birma-Katzen und Abessiniern

Augen und Ohren sind wiederum Sitz für viele mögliche Defekte: die Augenlidagenesie (Fehlen des Oberlids) bei Perser- und Europäisch-Kurzhaar-Katzen, sowie Dermoid der Birmakatzen, wobei die Bindehäute verändert sind, was leider ziemlich häufig vorkommt und erblich ist. Entropium (Lideinrollung) und Enophthalmus (tief im Kopf liegende Augen)  extremer englischer Siamkatzen, wobei ich fast sicher bin, daß diese Deformationen erblich sind. Weiterhin Farbabnormalitäten im Augenhintergrund bei Siamesen und Persern; das selten anzutreffende Infantile Glaukom (krankhafte Zunahme des Augeninnendrucks); Fehlen des Irispigments   (Irisalbinismus),   was ziemlich häufig ist; schwache Entwicklung der Iris oder unterschiedlich gefärbte rechte und linke Iris bei Siamkatzen und weißen Katzen (hier oft gekoppelt mit Taubheit), kegelförmige Hornhautausbuchtung, Kolqbom und bei Manx erbliche Ödeme der Hornhaut (Korneadystrophie), die bis zur Blindheit reichen kann. Eher häufig anzutreffen sind dagegen die progressive Retinaatrophie der Abessinier- und Perserkatzen, die zur vollständigen Blindheit führt, die zentrale Retinadegeneration der Siamkatze, das erbliche Schielen und die Stenosis (Verschluß) der Tränenkanäle. Die Ohren können in Form von Vierohrigkeit (beidseitiges Vorliegen von Extraohrmuscheln) deformiert sein, der Erbgang ist einfach autosomal rezessiv. Selten kommt es bei weißen Katzen auch zur erblich bedingten Taubheit, wobei diese unerwünschte Eigenschaft autosomal dominant vererbt wird, woraus sich leicht folgern läßt, daß mit tauben Katzen auf keinen Fall gezüchtet werden sollte.

Erbliche Stoff­wechselkrank­heiten bei Korat und Abessiniern

Es kann bei Katzen auch zu angeborenen Eingeweidevorfällen (Hernien) kommen, Leistenhernie, Nabelhernie, Zwerchfellhernie waren hier aufzuzählen, wobei gilt, daß für die Nobelhernie (Vorfall von Darmteilen durch die Nabelpforte) eine erbliche Disposition (Neigung) vorliegt und die Zwerchrellhernie einfach autosomal rezessiv vererbt wird, sie kommt übrigens häufig vor, kann aber durch Operation beseitigt werden.

Das Stoffwechselsystem kann ebenfalls von angeborenen Defekten „heimgesucht" werden: hier findet sich die leider relativ häufig bei Abessiniern vorkommende Amyloidosis, die erblich ist; die Gangliosidosis der Koratkatzen, die Lysosomale Speicherkrankheit der Abessinierkatzen, die Mucopolysaccharidose der Siamkatze. Die drei letzteren Defekte werden autosomal rezessiv vererbt.

Ansonsten gehört an diese Stelle noch der Porphyrismus, der einfach autosomal mit unterschiedlicher Ausprägung vererbt wird und sich am ehesten mit einer bräunlichen oder rötlichen Verfärbung der Zähne beschreiben läßt, da in Knochen und Zähnen der betroffenen Tiere Porphyrine abgelagert werden. Diese ziemlich seltene Abnormität konnte ich einmal an einer Rexkatze beobachten.

Auch Katzen können Bluter sein

Außer den angeborenen Störungen der Stoffwechselfunktion, die dem Züchter naturgemäß nicht gleich auf den ersten Blick auffallen, gibt es noch eine Gruppe von Abnormitäten, die eigentlich gleich nach der Geburt der Welpen erkannt werden können. Durch unvollständige Zwillingsbildung kann es zu Doppelmißbildungen kommen. So sind zum Beispiel doppelgesichtige Welpen aufgetaucht oder Neugeborene, die ein „dop­peltes" Hinterteil hatten. Total deformierte Gesichter trifft man auch im Zusammenhang mit der bereits erwähnten (amerikanischen) Burmakatzen-Schädelmißbildung an. Während die unvollständige Zwillingsbildung aber eher ein unglücklicher Zufall ist, wird die Burmesendeformation autosomal rezessiv vererbt. Desweiteren kann noch vorkommen, daß alle inneren Organe eines Kätzchens seitenverkehrt vorliegen. Zum Glück kommen aber alle diese zuletzt beschriebenen Abnormitäten nur selten vor.

Dann müssen noch zwei Defekte Erwähnung finden, die zwar auch nur selten vorkommen, aber der Vollständigkeit halber beschrieben werden müssen, sie betreffen das Blutbild der Katzen. So gibt es auch bei Katzen „Bluter"; also Hämophiliekranke Tiere. Diese Krankheit liegt in zwei Typen vor und zwar Typ A oder B, je nachdem, welcher Gerinnungsfaktor im Blut fehlt. Wie beim Menschen erkranken in der Regel nur männliche Tiere. Dieser Defekt ist heterosomal erblich, tritt aber in erster Linie nur bei Kurzhaarkatzen auf. Der zweite Defekt, der das Blutbild betrifft, ist die sogenannte Pelger-Huet Kernanomalie, bei der in den befallenen Katzen der Aufbau der Gronulozyten gestört ist, Granulozyten sind quasi eine Untergruppe der Leukozyten. Dieser Defekt wird einfach autosomal dominant meist heterozygot, selten jedoch homozygot vererbt.

Chromosomen-Defekte führen zum frühen Tod

Auch bei Katzen können Chromosomen-Defekte vorkommen. Bei einem abgestorbenen Fetus wurde einmal Auto-somale Trisomie (das heißt dreifaches Vorkommen des be­stimmten Chromosoms im „diploiden",  also  „doppelten" Chromosomensatz, hier die Autosomen betreffend) festgestellt. Dann kennt man noch das erbliche, autosomal rezessive  Chediale-Higashi  Syndrom, bei dem die Leukozyten verändert sind, so daß die gesamte Immunabwehr des betroffenen Tieres nicht richtig funktionieren kann. Diese Katzen erliegen sehr früh irgendwelchen Infekten. Als letztes in dieser Auflistung aller möglchen Defekte möchte ich noch die sogenannten Schildpattkater, die eine absolute Rarität darstellen, erwähnen. Diese männlichen Schildpatt-Katzen besitzen meist ein extra X-Chromosom, sind quasi XXY statt wie normale Kater XY. Zur Häufigkeit läßt sich sagen, daß auf  3000 geborene Schildpattkatzen eine männliche kommt. Diese sind überwiegend unfruchtbar. In den. letzten Jahren wurden aber in Rassekatzenkreisen zumindest zwei bekannt, ein Perser und ein Siamese, die Nachwuchs gezeugt haben.

Ein Weg, verborgene, vererbbare Defekte bei Edelkatzen aufzudecken, ist die „Linienzucht" oder „Inzucht". Tiere, die einer Gruppe angehören, die mit einem speziellen Problem genetischer Natur „behaftet" ist, werden diesen Defekt in ihrer Nachkommen­schaft umso wahrscheinlicher „zeigen", je enger sie mit Verwandten gepaart werden. Trägertiere können also durch „Inzucht" entlarvt (schreckliches Wort) werden, um sie dann aus der Zucht zu nehmen.

Outcross verschleiert nur die Probleme

Umgekehrt ist aber der „Outcross", also das strikte Vermeiden von Inzucht, kein dauerhafter Weg, bekannten, in einer Linie existierenden Erbfehlern aus dem Weg zu gehen. Es gibt genug gesunde Katzenfamilien, zur Not müssen eben beim Typ Abstriche gemacht werden, wenn die „fitten Linien" zwar genetisch in Ordnung, aber auf Ausstellungen nicht die absoluten Renner sind.  Erwiesene Trägertiere müssen, egal wie typvoll, aus der Zucht genommen werden, nur so ist dauerhafter Erfolg beschieden. Glücklich ist derjenige langjährige Züchter zu nennen, der es geschafft hat, sich mit harter Arbeit, durch konsequente Linienzucht, einen Stamm von Zuchttieren zusammenzustellen, von dem er eben durch erfolgte „Inzucht" weiß, daß er im genetischen Sinne in Ordnung ist. Dies ist ein wesentlich  mühevollerer Weg, aber im Erfolg dauerhafter.Ein großangelegtes Linienzuchtprogramm zur    Aufdeckung von Erbfehlern oder Schaffung einer regelrechten Katzendynastie ist natürlich nur den größeren Zuchten vorbehalten, die über entsprechendes „Zuchtmaterial" (schreckliches Wort im Zusammenhang mit lebenden Tieren) verfügen. Wie kann aber auch der Züchter, der nur eine oder zwei Zuchtkatzen und erst recht keinen eigenen Deckkater hat auf erbgesunde Nachzucht hinarbeiten? In diesem Fall empfiehlt es sich, Stammbaumstudium zu treiben und sich umzuhören. Am besten, man   schließt  sich einem langjährigen Züchter an, der Linienzucht betreibt und profitiert von dessen Wissen und Erfahrung.

Modekater können Defekte eher weitertragen

Nun noch ein abschließendes Wort zum Thema „Modekater". - Modekater sind in der Regel hochprämierte Zuchttiere, die gegen entsprechendes Kleingeld „jedermanns" Kätzin zur Verfügung stehen, der es sich leisten kann. Im Idealfall hat der hochprämierte Kater mit entsprechend typvollen Muttertieren tatsächlich vielversprechenden Nach­wuchs gebracht. Im Idealfall -wie ich sagte ... Grund genug für viele, mit höchst mittelmäßigen Kätzinnen „hinzustürzen" und genauso phantastische Jungtiere zu erwarten. Diese Hoffnung wird dann meist enttäuscht, denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung trägt eben nicht der Kater das meiste zur Vererbung bei, sondern eben nur die Hälfte, die andere Hälfte muß die Katzin beisteuern, und zu allem Überfluß müssen die Tiere dann noch genetisch zusammenpassen, sonst kann es zwar „Überraschungen", aber gewiß keine „Überflieger" geben. Um nun wieder den gedanklichen Bezug zu den hier behandelten Gendefekten herzustellen - was passiert, wenn ausgerechnet der „Modekater", der bald in allen Stammbäumen anzutreffen ist, Mißbildungen oder die Anlage dazu weitergibt? Die Auswirkungen für die betroffene Rasse­population liegen klar auf der Hand - es kann zur Katastrophe für die Rasse kommen! Der Kater kann in seinem Leben um ein vielfaches mehr Nachkommen zeugen und seine Anlagen vererben, als jede Kätzin. Rein theoretisch hat er also auf die Gesamtpopulation mehr Einfluß als eine Kätzin und zwar nicht weil er „mehr" Anlagen an seine Kinder gibt, sondern er gibt seine Gene in der Regel öfter weiter als eine Kätzin es in ihrem Leben je tun wird. Die Entscheidung liegt beim einzelnen Züchter, bei allem was er tut, hat er die Verantwortung  für seine Geschöpfe zu tragen. Wer wissentlich mit Trägertieren letaler Mißbildungen züchtet,  dies vielleicht durch Fremdkreuzen zu vertuschen sucht, tut keinem einen Gefallen - am allerwengisten sich selbst ...

Begriffserklärungen

Autosomal rezessiv: das betreffende Gen ist an Autosomen gebunden und wird rezessiv vererbt. Autosomen sind quasi die gewöhnlichen Chromosomen.

Autosomal dominant: das Gen vererbt sich dominant.

Unvollständig dominant: die homozygot dominanten Tiere sind stark betroffen, die Heterozygoten sind weniger und die homozygoten rezessiven Tiere sind gar nicht betroffen, das heißt sie weisen die Mißbildung nicht auf.

Geschlechtsgebunden: das Schadgen ist an ein Geschlechtschromosom gebunden.

Unvollständige Penetranz: ein bestimmter Anteil der Tiere mit diesem Gendefekt zeigt ihn aufgrund umweltbedingter Einflüsse nicht.

Variable Expressivität: dieselbe Abnormität erscheint bei den verschiedenen Individuen in unterschiedlicher Weise.

Erbliche Prädisposition: Katzen, die für eine bestimmte Mißbildung prädisponiert sind (quasi dazu neigen), haben genetisch wenig Widerstandskraft gegen diese Abnormität.

 

mit freundlicher Genehmigung von 
Gesine Wolf (Autorin)
Anderwelt Cattery

Literaturverzeichnis: Katzenkrankheifen, Klinik und Therapie, Hrsg. Wilfried Kraft. Alfeld 199]/3. Auflage. S. 545 ff.

       

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